Es kommt nicht nur vor, dass ich bei Bergwanderungen meine eigenen Planungsgrundsätze missachte (dies aber zum Glück selten). Es kommt auch vor, dass eine Tour zwar gut geplant ist, ich aber mein eigenes Bauchgefühl missachte, das mir sagt, dass irgendetwas nicht stimmen kann. So geschehen zum Beispiel an einem schönen Spätsommertag anfangs September.

Ziel der Wanderung war die Sidelenhütte am Fuss des Galenstocks und der in der Nähe liegende Bergsee, die ich schon lange auf meiner Wunschliste hatte. Gut, die Tour war wie gesagt geplant; Wetter, Weg, Zeit, Anforderungen etc. abgecheckt. Ich war früh unterwegs – zum Glück, wie sich später zeigte – und konnte um ca. 07:40 Uhr beim Furkapass starten. Dort war der Wegverlauf wegen einer Baustelle gleich am Anfang nicht klar ersichtlich, schon nach wenigen Metern stand ich vor einer Gabelung ohne Wegweiser. Da rechts ein Bauzaun stand, ging ich links. Ich glaubte – und das war der erste Fehler – die Karte im Kopf zu haben und ahnte nichts. Den zweiten Fehler beging ich nach etwa einer halben Stunde, als ich dachte: Es geht nun schon ziemlich lange ziemlich steil aufwärts, was gemäss Karte nicht der Fall sein sollte – aber trotzdem die Karte nicht konsultierte.


Am Schluss landete ich bei einer weiteren Baustelle auf einem kleinen Nebengipfel, dem Furkastock. Der dann doch noch erfolgte Blick auf die Karte zeigte mir sofort, dass ich mich gut einen Kilometer vom vorgesehenen Weg entfernt und dabei schon praktisch die ganze Höhe erklommen hatte. In normalem Gelände ist ein Kilometer keine Katastrophe, aber in dieser Situation hätte ich den Fehler nur korrigieren können, in dem ich den ganzen Weg wieder abgestiegen und dem offiziellen Wanderweg entlang erneut aufgestiegen wäre. Wer mich kennt, weiss, dass das für mich keine Option war 🙂 …

Darum entschied ich mich dafür, querfeldein den Höhenlinien folgend den Anschluss an den Wanderweg zu finden, zumindest solange es nicht gefährlich würde. Dies gelang mir nicht ganz. Zwar erreichte ich auf diesem „wilden“ Weg tatsächlich irgendwann die ursprünglich geplante Route, aber ich musste doch laufend Höhe preisgeben, da das Gelände an vielen Stellen anders nicht passierpar war. Nach einer anstrengenden Stunde quer durch Geröllfelder aus riesigen Felsbrocken und steile Grashänge erreichte ich eine wunderschöne Stelle am Sidelenbach, einem Seitenbach der Furkareuss. Von dort hätte ich meinen Weg zur Sidelenhütte fortsetzen können. Da aber inzwischen schon sehr viele Leute auf dem Wanderweg unterwegs waren, ich schon ziemlich geschafft war und zudem dieser Ort mir alle gewünschten fotografischen Opportunitäten bot, beschloss ich, diese zusätzlichen Höhenmeter nicht mehr auf mich zu nehmen.


Nun, es liegt mir natürlich fern, so eine Dummheit anderen Berggängern weiterzuempfehlen. Rückblickend lässt sich aber sagen, dass der Irrweg für mich doch seine Vorteile hatte. Einige schöne Stellen, wie z.B. die Weide mit den Schwarzkopfschafen hätte ich, dem offiziellen Weg folgend, nicht entdeckt. Ich war zudem auf dem ganzen Weg wirklich für mich allein – eine Situation, die man heute auch in den Bergen nicht mehr überall antrifft. Und zu guter letzt: Wahrscheinlich hätte ich dieses beeindruckende, etwas versteckte Plätzchen in den Felsbrocken, an dem die meisten Fotos entstanden sind, vom Wanderweg her höchstwahrscheinlich nicht entdeckt…

So fand dieser anstrengende Irrweg doch noch ein versöhnliches Ende. Und einmal mehr musste ich für mich ein wenig schmunzeln. Die Menschenmassen, die in Richtung Sidelenhütte unterwegs waren, während ich bereits am absteigen war, weckten in mir den Eindruck, dass ich am Bergsee bei der Hütte wohl kaum so ungestört hätte fotografieren können 😉 …

P.S.: Auf einer anderen Wanderung in der Gegend konnte ich diese schöne Ecke schon einmal aus der Ferne betrachten…