Ende August nahm ich mir wieder einmal einen Tag frei, um einen Escape-Day zu unternehmen – einen Ausflug in die Ruhe der Natur, im Sommer und Herbst bevorzugt in den Bergen. Das Ziel war diesmal die Pizolhütte. Was genau ich von dort aus unternehmen würde, wusste ich zu Beginn des Ausflugs noch nicht. Ich wollte schon seit Längerem einmal wieder den kleinen, namenlosen Bergsee oberhalb des Wildsees besuchen. Vor vielen Jahren, als ich das vorletzte Mal dort gewesen war, hatte ich noch eine relativ niedrig auflösende Kamera, und das letzte Mal im Herbst 2019 lag schon so viel Schnee, dass an ein vernünftiges Wandern nicht zu denken gewesen war und ich frühzeitig umkehren musste. Ich konnte mir dieses Mal aber auch vorstellen, ein wenig auf der Höhe um die Pizolhütte zu wandern und das Panorama mit Rheintal und Prättigau zu geniessen oder aber einen Teil der Fünf-Seen-Wanderung zu unternehmen – mindestens einmal bis zum Schottensee, den ich bisher noch nie zu Gesicht bekommen habe, weil ich immer früher umgekehrt war 🙂 …
Was ich ein wenig unterschätzt hatte: An gewissen Tagen im Sommer reicht es offenbar nicht, früh unterwegs zu sein (die erste Gondel in Wangs fährt erst um 08:15 Uhr), denn zu beliebt ist dieser Ort. So stand ich also schon an der Kasse der Talstation Schlange, und oben angekommen waren schon ziemlich viele Leute in Richtung Wildseelugge unterwegs – ganz offensichtlich mit dem Ziel, die bekannte Fünf-Seen-Wanderung zu absolvieren. Trotzdem entschied ich mich dafür, ebenfalls in Richtung Wildsee aufzubrechen und hoffte, die Wege der Masse und von mir würden sich auf dem Pässchen trennen. Diese Vermutung stellte sich als richtig heraus 😉
Auf der Wildseelugge, nachdem die ersten 270 Höhenmeter überwunden sind, bietet sich ein Anblick, der dem Wanderer ein stilles (oder auch weniger stilles) „Wow“ entlockt. Der Blick von hier oben hinunter zum meist in knalligem türkisblau erstrahlenden Wildsee ist wirklich eindrücklich und von fast überirdischer Schönheit. Die meisten Wanderer machen denn hier auch eine kleine Rast, bevor sie den Abstieg zum Schottensee in Angriff nehmen. Die Szene hat so ausladende Dimensionen, dass ich es auch mit meinem 9mm-Objektiv noch nie geschafft habe, alles auf ein Bild zu bekommen. Dieses Mal hatte ich zum ersten Mal ein Smartphone dabei, das mir dies mit der Ultraweitwinkel-Kamera erlaubte. Verzeiht mir also das Einstreuen eines Smartphone-Fotos in diesem Beitrag 🙂 …
Im Gegensatz zum Grossteil der Tourengänger zweigte ich an dieser Stelle nicht Richtung Schottensee ab, sondern auf den Weg in Richtung Lavtinasattel und Pizol. Dieser ist deutlich weniger stark begangen, und er bietet unglaublich schöne Blicke über den Wildsee und durch die Felsscharte an dessen Ende bis hin zu den Churfirsten. Der Weg ist etwas schwierig, da er über zwei unangenehme Geröllfelder führt, aber gut begehbar. Und je weiter man sich ins Innere dieses Talkessels begibt, desto mehr hat man den Eindruck, sich in einer riesigen Arena zu befinden, die von den Wildsee-, den Lavtina-, den Grauen Hörnern und dem Gipfel des Pizols majestätisch begrenzt wird.
Folgt man nach der ersten Weggabelung, wo der Alpinwanderweg zum Pizolgipfel abzweigt, weiter in Richtung Lavtinasattel und Weisstannen, passiert man kurz vor dem Beginn des nächsten Anstiegs einen ersten namenlosen Bergsee. Natürlich liess ich es mir – wie immer in solchen Fällen – nicht nehmen, den See zum umrunden und an seinem Ufer zu fotografieren, während die wenigen anderen Wanderer, die sich für diesen Weg entschieden hatten, achtlos daran vorbeizogen.
Von hier aus ist es dann nicht mehr weit bis zum eingangs erwähnten See direkt über dem Wildsee. Dieser wird von Vorüberziehenden noch weniger beachtet, da er erstens nicht direkt am Weg liegt, sondern in einer Senke, die nur querfeldein erreicht werden kann, und zweitens vom Wanderweg her wegen seiner geringen Tiefe auch nicht gut sichtbar ist. Für meinen Begriff ist dieser See ein unglaublich schöner Ort, an dem sich Fotomotive in unzähligen Varianten bieten und wo sich auch wirklich die Ruhe der Bergwelt intensiv geniessen lässt. Für beides habe ich mir die Zeit genommen, so dass dieser Tag wirklich zum Escape-Day wurde. Anschliessend, auf dem Rückweg zur Pizolhütte, entlockten mir die noch zahlreicher gewordenen Menschenkolonnen auf dem Fünf-Seen-Weg nur noch ein müdes Lächeln – dies im doppelten Sinne des Wortes, denn der Weg hatte mir physisch schon einiges abverlangt. Und auch wenn ich jetzt den Schottensee immer noch nicht gesehen habe (geschweige denn die anderen drei Seen), so war ich doch mit dem Erlebten sehr zufrieden…