Es gibt Orte und Motive auf dieser Welt, die gehören einfach ins Repertoire eines jeden Fotografen – so scheint es zumindest. Wenn man sich dann an einem so bekannten Touristenort wie Zermatt mit einem so berühmten Berg wie dem Matterhorn befindet, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass man Bilder mit nach Hause bringt, die viele andere so auch schon gemacht (und gezeigt) haben.
Auch mir ging es natürlich nicht anders. Ich habe mich allerdings schon gar nicht darum bemüht, die vielen besonders guten Matterhorn-Bilder anderer Fotografen, die ich schon gesehen hatte, in den Schatten zu stellen. Mir geht es in diesem Artikel aber um etwas anderes. Es gibt nämlich nicht nur Standard-Motive und -Perspektiven, sondern in solchen Gebieten auch Standard-Wanderungen. Eine davon ist zum Beispiel die Fünf-Seen-Wanderung über die Findelalp von der Sunnegga-Bergstation aus. Diese Route bietet dem Fotografen zweifellos einige gute Möglichkeiten, das Matterhorn in Szene zu setzen – je nach Licht und Tageszeit sogar sehr gute. Ich wollte aber auch noch etwas anderes sehen, und so beschloss ich, beim Stellisee die vorgegebene Route zu verlassen und ein Stück dem Wanderweg in Richtung Fluealp zu folgen. Grund dafür war, dass ich auf der Karte zwei namenlose Bergseen weiter hinten im Tal entdeckt hatte, von denen ich mir fotografische Opportunitäten erhoffte 🙂 …
Somit wurde das Verlassen der ausgetretenen Pfade Tatsache, und siehe da – im Nu war ich, der ich vorhin Teil einer wahren Völkerwanderung gewesen war, ganz für mich allein! Tatsächlich waren die beiden Seelein recht attraktiv, und es gelang mir, ein Porträt des Matterhorns aufzunehmen, das einiges von dem abwich, was ich bisher gesehen hatte. Im weiteren Verlauf der Tour entfernte ich mich dann immer mehr von den ausgetretenen Pfaden. Beim Aufstieg zu den Seen entdeckte ich weit oben auf der Seitenmoräne des Findelgletschers andere Wanderer, und ich fasste den Entschluss, es ihnen gleichzutun und ebenfalls auf diesem Weg zum Stellisee zurückzukehren. Das aber hätte ich besser unterlassen. Zwar bot die Moräne wunderschöne Ausblicke auf den Gletscher und die umliegenden Gipfel, aber der (inoffizielle) Pfad war so schmal, brüchig und beidseits steil abfallend, dass ich es zwischenzeitlich ziemlich mit der Angst zu tun bekam. Mit Wanderstöcken ausgerüstet wäre das sicher eine andere Sache gewesen, aber die hatten ich nun einmal nicht dabei.
Ich fand dann doch noch eine Stelle, um wieder von der Moräne zum Wanderweg abzusteigen. Aber mir war wieder einmal bewusst geworden, dass man beim Verlassen der ausgetretenen Pfade zwar einiges Interessantes entdecken kann, dabei aber die Vorsicht nicht vergessen und auf die warnende Stimme der alpinen Erfahrung hören sollte…