In der letzten Zeit hatte ich wieder verstärkt das Bedürfnis, in die Natur hinauszugehen (und dabei natürlich auch zu fotografieren 😉 …). So reservierte ich mir in der ersten Märzwoche einen terminfreien Tag für eine Tour. Eigentlich war geplant, eines der vielen offenen Frühlings-Ziele anzusteuern, da an den meisten Orten in den Bergen sowieso schon seit Längerem für meinen Geschmack zu wenig Schnee lag. Doch das Wetter hatte wieder einmal so seine Launen, und es schneite zwei Tage vor dem geplanten Ausflug nochmals bis 500 Meter hinunter. So entschied ich mich stattdessen, mich würdig von dieser Wintersaison zu verabschieden und nochmals in die Höhe zu gehen.
Nach wie immer langer und qualvoller 🙂 Evaluation kristallisierten sich zwei mögliche Ziele heraus: das mit spektakulärer Aussicht gesegnete Berner Oberländer Bergdorf Mürren und die Hochebene Rosenboden im Toggenburg. Da der Föhn im Osten länger Bestand zu haben versprach, entschied ich mich für letztere Option. Einmal mehr sollte ich meinen Entscheid nicht bereuen (und Mürren wird sicher nächsten Winter auch noch stehen…). Nach einer langen, verzettelten Anreise im öV – grösstenteils durch dichten Hochnebel – empfing mich dann das Obertoggenburg mit strahlend blauem Himmel.
Die leichte und gut präparierte Winterwanderung über die Hochebene startet bei der Bergstation auf dem Chäserrugg und gehört wohl zu den aussichtsreichsten, die ich je unternommen habe. Der Blick soll vom Rundweg her bei guter Sicht gemäss Eigenwerbung des Chäserruggs über fünfhundert Gipfel in sechs Ländern und bis hinunter zum Walensee schweifen. Dies ist zwar sicher schön, aber mir gefällt die Sicht auf die näher gelegenen Schönheiten eigentlich viel besser. Und davon gibt es auch nicht wenige zu bestaunen.
So zeigen sich schon kurz nach dem Start beim durch Herzog & de Meuron gestalteten Bergrestaurant auf 2261 Metern Höhe die übrigen sechs Churfirsten von ihrer schönsten Seite. Am Wendepunkt der Wanderung eröffnet sich der Ausblick über die Sankt Galler Oberländer Grössen in der Kette vom Sichelchamm zum Alvier (während meines Besuchs leider nicht im optimalen Licht). Und während der ganzen Tour hat man im Norden auch den Alpstein mit markanten Gipfeln wie Säntis, Altmann und Wildhauser Schafberg im Blick.
Es war also eine genussreiche Runde mit viel Sonne und Schnee. Da ich früh genug unterwegs war und nach der Rückkehr zur Bergstation noch nicht Mittagessenszeit war 😉 , gondelte ich direkt wieder hinunter zum Iltios. Dieser Ort liegt auf 1343 Metern über Meer und damit deutlich unterhalb der Baumgrenze. Trotzdem schien mir, dass sich hier ein attraktives Wandergebiet erschliesst, das nicht nur einige weitere Winterwanderwege bietet, sondern in dem man sich auch zu den anderen Jahreszeiten über weite Weidegebiete mit lockerer Bewaldung tummeln kann, immer die auch aus dieser Perspektive imposanten Churfirsten im Blick. Auch wenn ich sonst hochalpines Gelände bevorzuge – diese Gegend muss ich mir definitiv im Sommer oder Herbst nochmals etwas näher anschauen.
Zu den Chrufirsten gibt es übrigens eine Anekdote, die ich als junger Mensch oft gehört hatte und die an diesem Tag erstmals eine konkrete Form angenommen hat. Je nachdem, auf welcher Seite dieses Gebirgszugs jemand wohnt, gilt etwas anderes als die „Vorderseite“ der Churfirsten. Der Toggenburger betrachtet natürlich den nördlichen Hang als die Vorderseite der Churfirsten, während dieser für einen Bewohner der Walensee-Region die Rückseite darstellt – was nicht selten zu wortreichem, aber freundschaftlichem Streit zwischen beiden Bevölkerungsgruppen führt. So oder so, ich durfte an diesem für mich letzen richtigen Wintertage beide Seiten der Churfirsten bewundern 🙂 …